Iannis Xenakis
Komponist
Ein doppelter Baumeister: Als Ingenieur und Architekt war Iannis Xenakis langjähriger Mitarbeiter von Le Corbusier, als kompromissloser Avantgarde-Komponist schuf er revolutionäre Klangskulpturen. Seine mal statischen, mal unter größter Kraftentfaltung eruptiv-dynamischen Werke ermöglichen Raumerlebnisse, bei denen Klänge ihre Bewegungsrichtungen ändern, sich annähern, entfernen oder in sich kreisen.
Iannis Xenakis wurde 1922 als Kind griechischer Eltern im rumänischen Brăila geboren. Nachdem die Familie 1932 nach Griechenland zurückgekehrt war, immatrikulierte er sich im Fach Ingenieurwissenschaften. Am Tag, an dem sein Studium an der Polytechnischen Hochschule in Athen begann, marschierten Mussolinis Truppen in Griechenland ein. Xenakis schloss sich der kommunistischen Widerstandsbewegung an und kämpfte erst gegen die italienische, dann gegen die deutsche und schließlich gegen die britische Besetzung. Am Neujahrstag 1945 verletzte ihn bei einer Straßenschlacht eine britische Granate lebensgefährlich. Trotz einer entstellenden Narbe und dem Verlust eines Auges gelang es ihm, sein Ingenieurstudium abzuschließen, bevor er von der rechtsgerichteten griechischen Regierung wegen Landesverrats zum Tod verurteilt wurde. Xenakis floh über Italien nach Paris, wo er 1947 mit falschem Pass, mittellos und vollkommen desillusioniert eintraf. Hilfe erhielt er vom weltberühmten Architekten Le Corbusier, der ihn als Assistenten einstellte. Daneben nahm Xenakis Unterricht bei den Komponisten Arthur Honegger und Darius Milhaud. Doch erst Olivier Messiaen, dessen Kurse Xenakis 1952 besuchte, erkannte seine Begabung. Es entstand unter anderem das Triptychon Anastenaria für Chor und Orchester, mit dessen dritten Teil Metastasis Xenakis 1955 in Donaueschingen seinen Durchbruch feierte. Auf Grundlage dieser Komposition entwarf er drei Jahre später den berühmten Philips-Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel. Als bekennender Kritiker des Serialismus favorisierte Xenakis ein von Wahrscheinlichkeitsverfahren und mathematischer Kombinatorik beeinflusstes Komponieren, in dem sich der Geist des digitalen Zeitalters ankündigte. Er gründete in Paris das Centre d’Études de Mathématique et Automatique Musicales und wurde 1983 in die Académie des Beaux-Arts gewählt. Nach jahrelanger Alzheimererkrankung starb Xenakis im Februar 2001 in Paris.