»Late Night«-Konzert mit Oksana Lyniv
Sie war die erste Frau am Pult der Bayreuther Festspiele: Die aus der Ukraine stammende Dirigentin Oksana Lyniv gab im Sommer 2021 ihr viel beachtetes Debüt bei dem weltberühmten Festival. Ihr Handwerk hat sie gründlich gelernt, u. a. als Assistentin von Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper. Zusammen mit Mitgliedern der Berliner Philharmoniker gestaltet sie dieses Late Night-Konzert mit Werken von Igor Strawinsky.
Ohne Frage besteht bei den Werken Igor Strawinskys keine Gefahr der Langeweile. Das liegt auch daran, dass der Russe sich stilistisch immer wieder neu erfand. Nach den legendären Erfolgen seiner für die Ballets Russes zwischen 1911 und 1914 geschriebenen Werke beschritt er ganz neue Wege.
Was üblicherweise als Strawinskys »Neoklassizistische Periode« bezeichnet wird, entstand – so der Komponist gegenüber seinem engen Vertrauten Robert Craft – aus einem »Blick in die Vergangenheit«, der sich zugleich als »Blick in den Spiegel« herausstellte. Auch die von Oksana Lyniv in diesem Konzert dirigierten Werke zeigen diesen Doppelcharakter: Während die Besetzung des Oktetts für Flöte, Klarinette und jeweils zwei Fagotte, Trompeten und Posaunen historisch ohne Vorbild ist, stellt die Form eine originelle Anverwandlung klassischer Modelle dar. So ist der mittlere Satz als eine Mischung aus Variationen-Folge und Rondo gestaltet. Das 1938 im Auftrag eines amerikanischen Ehepaares entstandene Es-Dur-Konzert »Dumbarton Oaks« verstand der Komponist dagegen ausdrücklich als Hommage an die Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach. Einerseits überschreibt Strawinsky die barocke Vorlage mit unregelmäßigen Rhythmen und »schrägen« Harmonien, andererseits reicht die Anhänglichkeit bis zum Zitat, wie das Auftaktmotiv belegt, das direkt auf den ersten Satz von Bachs Drittem Konzert zurückgreift.
Die erste Aufführung der kurzen Ballett-Burleske Renard bei den Berliner Philharmonikern dirigierte 1964, im Rahmen der Berliner Festwochen, der bereits über 80 Jahre alte Strawinsky selbst. Das in der Tierwelt angesiedelte Libretto basiert auf russischen Volkserzählungen und berichtet von der grausamen Strafe, die der titelgebende Fuchs für seine skrupellosen Intrigen erntet. Das 1922 durch die Ballets Russes uraufgeführte Werk vollendete Strawinsky bereits 1916. Die schlanke Besetzung für vier Männerstimmen und Kammerorchester, in der der Einsatz des Cymbalons für ganz besondere Klänge sorgt, erklärt sich aus dem später verworfenen Plan, das Stück im berühmten Pariser Salon de Polignac darzubieten.
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