Karajan dirigiert Tschaikowskys Symphonien Nr. 4–6
Kaum ein anderer Komponist hat eine so ungehemmt emotionale Musik hinterlassen wie Peter Tschaikowsky, der auf geniale Weise persönliches Erleben und Leiden mit höchster Kompositionskunst verschmolz. Es liegt auf der Hand, dass Herbert von Karajan, Meister des Klangrausches und der Emphase, ein idealer Tschaikowsky-Interpret war. In diesen Aufnahmen von 1973 dirigiert er die letzten drei Symphonien, darunter die berühmte Pathétique.
Die lange und bedeutende Tschaikowsky-Tradition der Berliner Philharmoniker reicht zurück bis in die Anfangszeit des Orchesters. Der Komponist kannte und schätzte die beiden ersten Chefdirigenten Hans von Bülow und Artur Nikisch. Deren inspirierte Lesart von Tschaikowskys Werken – vor allem der drei letzten Symphonien – fand eine ebenso engagierte wie charismatische Fortsetzung durch Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan.
1929 – mit 20 Jahren – dirigierte Karajan Tschaikowskys Fünfte Symphonie bei seinem Debütkonzert als professioneller Dirigent in Salzburg. Die Pathétique folgte vier Jahre später in Ulm, und danach schrieb er an seine Eltern: »Am Ende blieb alles 10 Sekunden wie tot sitzen, dann brüllte das Haus los wie bei einem Fußballwettspiel.« 1939, ein Jahr nach seinem ersten Konzert mit den Berliner Philharmonikern, nahm Karajan die Pathétique mit dem Orchester auf. Das künstlerische Selbstbewusstsein, mit dem er schon damals der Musik begegnete, sorgte für einiges Aufsehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er auch schon die mitreißende Vierte im Repertoire und sollte später einer der besten Interpreten dieses Werks werden.
Die vorliegenden Konzertfilme drehten Karajan und sein Chefkameramann Ernst Wild 1973 in Berlin. Sie markieren damit das Ende eines Jahrzehnts, in dem der Dirigent in Zusammenarbeit mit einer Reihe renommierter Avantgarde-Regisseure die filmische Präsentation von Orchestermusik geradezu revolutioniert hatte, und zeigen den ganzen Einfallsreichtum und Elan seiner Arbeit. Gleichzeitig dokumentieren sie aber auch einige typische Eigenschaften Karajans, die bereits der Kritiker des Salzburger Volksblatts 1929 bei seinem Debütkonzert bemerkt hatte: »Kein Deklamationsdirigent, sondern Führer von suggestiver Kraft«, »Stabführung und Haltung ruhig«, »die Urkraft der Musikalität Karajans«. Mehr als 40 Jahre später ist all dies – und noch vieles mehr – mit ungebrochener Kraft wirksam.
© 1973 Unitel
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