Konzert

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Man kann es sich kaum vorstellen: Ein Orchesterkonzert, das in Gänze auf die Violinen verzichtet. Sir Simon Rattle aber hat genau ein solches Programm zusammengestellt. Eine interessante Hörerfahrung ist damit garantiert. Johannes Brahms glaubte, den Symphoniker Beethoven wie einen »Riesen hinter sich marschieren« zu hören. 1862 schrieb er etwa an den befreundeten Geiger Joseph Joachim: »Hinter Sinfonien von J. B. magst Du einstweilen ein ? setzen.« Seine Fähigkeiten im Orchestersatz hatte Brahms zu diesem Zeitpunkt längst an anderen musikalischen Gattungen erprobt. Nach der 1858 komponierten, zwei Jahre später im Druck erschienenen Serenade D-Dur op. 11 stellt die gleichzeitig in Angriff genommene A-Dur-Serenade op. 16 Brahms’ zweiten Versuch dar, ein mehrsätziges Orchesterwerk zu schreiben, ohne den direkten Vergleich mit der übermächtigen Figur Beethovens riskieren zu müssen. Mit Serenaden alten Zuschnitts haben diese beiden Gattungsbeiträge von Brahms allerdings wenig gemein. Das zeigt sich nicht nur an den auf symphonische Ausmaße erweiterten Spieldauern, sondern auch an den großen Orchesterbesetzungen, von denen jene der A-Dur-Serenade besonders durch den Verzicht auf Violinen aus dem Rahmen fällt. Brahms gelangte auf diesem Wege zu einer – trotz der Verwendung einer Piccoloflöte im letzten der fünf Sätze – romantisch dunkel gefärbten Klanggebung.

Der von Brahms maßgeblich geförderte Antonín Dvořák orientierte sich ungleich stärker an Vorbildern aus der Glanzzeit der Gattung, als er 1878 seine Serenade d-Moll op. 44 schrieb – entspricht die nur von tiefen Streichern sekundierte Bläserbesetzung des Werks doch dem im 18. Jahrhundert für Serenadenkompositionen typischen Standard. Darüber hinaus tritt dieses Werk den Beweis an, dass sein Widmungsträger – der Komponist und Musikkritiker Louis Ehlert – recht hatte, als er 1878 der Berliner National-Zeitung die »himmlische Natürlichkeit« von Dvořáks Musik pries: »Keine Spur von Ergrübeltem und Gemachtem ist in ihr.« Ehlert war es auch, der in Bezug auf die zeitgenössische Musik seiner Tage schrieb: »Die Männer, welche uns in der Musik gegenwärtig am meisten interessieren, sind so furchtbar ernst. Wir müssen sie studieren, und, nachdem wir sie studiert haben, einen Revolver kaufen, um unsere Meinung über sie zu verteidigen.«

Musik als Medium des Erinnerns zu verstehen, ist für den 1960 geborenen, britischen Komponisten Mark-Anthony Turnage schon mehrfach Thema geworden. In Remembering, einem Auftragswerk der Stiftung Berliner Philharmoniker gemeinsam mit dem Boston Symphony Orchestra und dem London Symphony Orchestra, gibt Turnage der Erinnerung an Evan Scofield Raum, den 2013 mit 25 Jahren verstorbenen Schriftsteller und Musiker. Seinem Stil, einer »unverkennbaren Mischung aggressiver und lyrischer Qualitäten« (Anthony Burton) bleibt Turnage auch in Remembering treu. Und so meint man hier, den Erinnerungsbruchstücken an einen vielseitigen Künstler und Menschen zuhören zu können.

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