»Late Night« mit François-Xavier Roth
Die meisten Werke von Edgard Varèse präsentieren sich als geistreiche Miniaturen. Zur Zeit ihrer Entstehung vor knapp hundert Jahren indessen verkörperten sie eine handfeste Revolution – mit neuen Kompositionsformen und einer bislang ungekannten Verschmelzung von Geräusch und Musik. Das zeigt etwa die berühmte Ionisation, in der Schlagzeug, Klavier und Sirenen eine geheimnisvolle nächtliche Szenerie erstehen lassen. In diesem Late Night-Konzert stellt François-Xavier Roth originelle Werke des französischen Komponisten vor.
Klangvisionen am späten Abend: »Stellen Sie sich die Projektion einer geometrischen Figur auf einer Ebene vor, wobei die Figur und die Ebene sich im Raum bewegen – beide mit willkürlich wechselnden Geschwindigkeiten in Bezug auf Vorwärtsbewegung und Drehung.« Edgard Varèse war fasziniert von einer einkomponierten räumlichen Bewegung von Klängen – ebenso wie von der Verwendung unterschiedlicher Geräuschwerte, die primär durch Percussionsinstrumente erreicht wurden und unter dem Schlagwort »Befreiung des Klangs« in die Musikgeschichte eingingen. All dies ist in Werken wie Hyperprism, Intégrales und Ionisation deutlich ausgeprägt.
Neben diesen Werken widmen sich Mitglieder der Berliner Philharmoniker und François-Xavier Roth in dieser Late Night auch Edgard Varèses Octandre, in dem sich der Komponist voller Vitalität mit vier einzeln besetzten Holzbläsern, drei Blechbläsern und einem Kontrabass vom traditionellen Streicherklang abwandte, der für ihn das 18. und 19. Jahrhundert repräsentierte. In Offrandes wiederum wird die Sopranstimme von orchestralen Atmosphären umgeben, deren Klangpalette vom zartesten Pianissimo bis zur plötzlichen Eruption reicht.
21,5 bezeichnet die Dichte von Platin und gab Density 21.5 für Flöte seinen Titel: Das Werk schrieb Varèse für den Flötisten Georges Barrère, der um ein kurzes Solo gebeten hatte, mit dem er 1936 im Rahmen eines New Yorker Galakonzerts sein neues Platininstrument präsentieren wollte. Die endgültige »Befreiung des Klangs« erreichte Varése in seinen letzten Werken für Elektronik, u. a. in seinem Poème électronique für Tonband, das während der Brüsseler Weltausstellung 1958 in Le Corbusiers Philips-Pavillon von mehreren Millionen Menschen gehört wurde.
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