Herbert Blomstedt dirigiert Beethovens »Eroica«
Gegensätzliche Ausdruckswelten: die weltabgewandten Metamorphosen, in denen der 81-jährige Richard Strauss die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs betrauert, und die vorwärtsstürmende Eroica des jungen Beethoven. Eine Verbindung schafft ein Motiv aus dem Trauermarsch der Eroica, das Strauss zitiert. Altersweisheit und Esprit – Herbert Blomstedt vereint beides in seiner charismatischen Persönlichkeit.
Die Berliner Philharmoniker und Herbert Blomstedt setzen ihre gemeinsame Reise durch die Symphonik des 19. Jahrhunderts mit der Eroica fort. Mit einer Spielzeit von über 50 Minuten ist Ludwig van Beethovens Dritte Symphonie deutlich länger als seine beiden ersten und jede Symphonie von Haydn und Mozart. Außerdem schreibt der Komponist ein deutlich größeres Orchester vor. Neue Akzente in der Gattung setzte Beethoven auch dadurch, dass er das Finale als Variationenfolge komponierte und einen Trauermarsch an der Stelle des langsamen Satzes platzierte. Vor allem diesem Satz verdankt das Werk seinen heroischen Charakter.
Beethoven zog den ursprünglich geplanten Titel Buonaparte zugunsten des heute bekannten Beinamens wieder zurück. Seine Sicht auf Napoleon war ambivalent: Sympathien für die freiheitlichen Ideale Frankreichs standen im Konflikt mit dem österreichischen Patriotismus des Wahlwieners. In der Zeit der sogenannten Koalitionskriege begegneten sich die Länder als Feinde.
Richard Strauss schrieb seine Metamorphosen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Mit diesem Werk reagierte der Komponist unter anderem auf die Zerstörung der Oper in München, in der er einige seiner größten Erfolge gefeiert hatte. Ob Strauss – er hatte 1933 die Präsidentschaft der Reichsmusikkammer übernommen – in dem Werk auch sein eigenes Verhalten während der nationalsozialistischen Herrschaft reflektierte, ist nicht bekannt. Seine Äußerungen nach Kriegsende sind frei von Selbstkritik. Doch der Tonfall der Trauer ist aufrichtig und ergreifend.
Die intimen, über weite Strecken kammermusikalisch gestalteten Metamorphosen enden mit dem Thema des Eroica-Trauermarsches. Nach der Aussage des Komponisten ereignete sich dieses ursprünglich nicht geplante Zitat – als letzte »Verwandlung« seiner eigenen Themen – quasi von allein. So vertraut bewegte sich Strauss in der musikalischen Tradition, von der er sich in seinen letzten Werken verabschiedete.
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