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Im Zeitalter des europäischen Nationalismus – vom 19. bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts – hatte die französische Musik in Deutschland einen schweren Stand. Dabei hört man in Beethovens Werken deutliche Anklänge an Kompositionen der französischen Revolutionszeit. Robert Schumann, der ohnehin europäisch empfindende Franz Liszt und Richard Strauss waren ebenso von Hector Berlioz beeindruckt wie Richard Wagner. Und im literarischen Symbolismus hatten die französischen Impressionisten und die zweite Wiener Schule einen gemeinsamen Bezugspunkt: Maurice Maeterlincks Schauspiel Pelléas et Mélisande inspirierte Claude Debussy zu einer Oper und Arnold Schönberg zu einer symphonischen Dichtung. Aber die politischen Konflikte der Zeit gingen eben auch auf das ästhetische Verständnis der Künstler über, was Wagners Frankreich-Hass ebenso belegt wie die Abneigung Debussys gegen den Herrschaftsanspruch der deutsch-österreichischen Musik.

Die Zeiten haben sich zum Glück geändert: Längst gehört natürlich auch für die Berliner Philharmoniker die französische Musik zum »täglichen Brot«; auch wenn diese Metapher der Delikatesse dieser Werke vielleicht nicht gerecht wird. Schon Furtwängler dirigierte das Repertoire regelmäßig, und Herbert von Karajan war ein Meisterinterpret der Kompositionen von Ravel und Debussy. Ebenso Claudio Abbado, der zudem als letztes Werk bei den Berliner Philharmonikern in einer umjubelten Aufführung Berlioz’ Symphonie fantastique interpretierte. Der Fokus erweiterte sich dann noch einmal beträchtlich, nachdem Sir Simon Rattle Chefdirigent des Orchesters geworden war. Die von ihm dirigierte französische Musik reicht von Jean-Philippe Rameau bis zu Pierre Boulez, mit dem ihn eine Freundschaft verband. Boulez selbst gehörte von seinem Debüt 1961 bis zu seinem letzten Konzert mit den Berliner Philharmonikern 2010 für ein knappes halbes Jahrhundert zu den wichtigsten Gastdirigenten des Orchesters. Sir Simon hat zudem während seiner Amtszeit zwei Mal Debussys Pelléas et Mélisande in szenischen Produktionen präsentiert, Messiaen und Bizet aufgeführt und in der Spielzeit 2015/2016 einen Schwerpunkt mit französischer Musik ausgerufen. Kirill Petrenko schließlich leitete im April 2018 als designierter philharmonischer Chefdirigent eine Aufführung von Paul Dukas’ Ballettmusik La Péri und brachte damit ein faszinierendes, über Jahrzehnte hinweg fast vergessenes Werk in Erinnerung.

Mittlerweile vermittelt die Arbeit der Berliner Philharmoniker ein eindrucksvolles Bild vom ganzen Reichtum der französischen Musik und ihrer wichtigsten Komponisten: Hector Berlioz, Revolutionär des Orchesterklangs und Autor der bis heute einflussreichen »Instrumentationslehre« sowie Miterfinder der symphonischen Dichtung und des Orchesterlieds; Claude Debussy, der mit seiner nur ungefähr 10 Minuten in Anspruch nehmenden Studie Prélude à l’après-midi d’un faune eine Art Manifest der Stimmungs- und Klangfarbenzauberei schrieb; und Maurice Ravel, der vielleicht größte Multilinguist der Musikgeschichte, der den französischen ebenso wie den spanischen, orientalischen und wienerischen Tonfall beherrschte und mit Le Tombeau de Couperin eine hinreißend eigenwillige Hommage an die französische Barockmusik schuf. Daneben treten auch lange unterschätzte Komponisten aus dem Schatten wie der wunderbar eigensinnige Gabriel Fauré oder Camille Saint-Saëns, ein Meister so effektvoller Schöpfungen wie der Orgelsymphonie. Im 20. Jahrhundert sind etwa Francis Poulenc oder Darius Milhaud zu erwähnen, die wie schon Ravel und Debussy Jazz-Elemente in ihren Kompositionen verarbeiteten. Schließlich dürfen in einer Auswahl auch die französischen Avantgardisten nicht fehlen: Der Raumklang-Pionier Edgard Varèse, der mit Ionisation ein kurzes Stück ausschließlich für Perkussions-Instrumente schrieb und der erwähnte Pierre Boulez. In seinen konzisen Werken gibt er sich als Nachfolger zugleich von Claude Debussy und Anton Webern zu erkennen.

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