Anton Webern
Komponist
Pierre Boulez hat die drei berühmten Komponisten der Zweiten Wiener Schule einmal halb-ironisch auf die Dreifaltigkeit in der christlichen Theologie bezogen: In dieser Konstellation wäre Arnold Schönberg der Vater, Alban Berg der Sohn und Anton Webern der Heilige Geist der musikalischen Moderne. Das Geistige kann man im Schaffen Weberns in der Absicht erkennen, die materiellen Aspekte der Musik – Klang und Dauer – auf ein Minimum zu reduzieren. Der Komponist bevorzugte leise Töne und schrieb überwiegend sehr kurze Stücke. Seine Musik folgt bis ins kleinste Detail den Regeln strenger Konstruktion – gleichzeitig umgibt sie eine Aura des Geheimnisvollen.
Ein »heiliger Geist« im Sinne eines Vorbilds war Webern auch für die Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg. Stärker noch als sein Lehrer Schönberg gilt er als Vorbereiter der seriellen Musik. Auch auf Strawinsky und spätere Komponist*innen wie György Kurtág, Sofia Gubaidulina und Unsuk Chin übte er starken Einfluss aus. Der Komponist wurde 1882 als Sohn eines Bergbauingenieurs in Wien geboren und lernte als Kind Klavier und Cello. Zwei Jahre nach dem Beginn eines Studiums der Musikwissenschaft in Wien wurde er 1904 Schüler Schönbergs. Seinem Lehrer folgte er sowohl in die Atonalität als auch in die Freitonalität – und ab Mitte der 1920er-Jahre schließlich in die Zwölftonmusik. Der zeitlebens von finanziellen Sorgen geplagte Musiker war auch als angesehener Chorleiter, Dirigent und Herausgeber tätig. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Webern, dessen Schwiegersohn in Schwarzmarkt-Geschäfte verwickelt war, bei einer Razzia amerikanischer Soldaten erschossen. 1923 ist Webern als Dirigent seiner eigenen Passacaglia sowie der Uraufführung von zwei der Drei Orchesterstücke Alban Bergs mit den Berliner Philharmonikern aufgetreten. Im Rahmen der 2000 erschienenen Gesamtaufnahme unter der Leitung von Pierre Boulez spielten die Philharmoniker alle Orchesterwerke des Komponisten.