Daniele Gatti dirigiert Brahms, Strawinsky und Webern

Clara Schumann schwärmte vom »geheimnisvollen Zauber des Waldlebens«, den sie beim Hören von Brahms’ Dritter Symphonie empfand. Und wirklich erscheint das Werk über weite Strecken wie ein klingendes Naturidyll. Brahms verbindet dabei volksliedhafte Melodien mit einer tiefgründigen Klangwelt. Diese inspirierte den jungen Anton Webern zu seinem sehnsuchtsvollen Langsamen Satz. Igor Strawinsky wiederum orientiert sich in seiner Symphonie in C an der Wiener Klassik. Das Ergebnis? Eine frische Neuinterpretation musikalischer Traditionen.
Anton Weberns Langsamer Satz für Streichquartett entstand 1905, zu Beginn seiner Studienzeit bei Arnold Schönberg. Die Komposition, die erst in den 1960er-Jahren wiederentdeckt wurde, ist von einem schwärmerisch-expressiven Gestus geprägt, der an den frühen Schönberg und Wagners Siegfried-Idyll erinnert. Der spätromantische Tonfall ist allerdings auch auf eine persönliche Erfahrung zurückzuführen: Zum Entstehungszeitpunkt des Werks hatte sich Webern in seine Cousine Wilhelmine verliebt, die später seine Ehefrau werden sollte.
Die späten 1930er-Jahre waren für Igor Strawinsky eine besonders bewegte und schmerzhafte Zeit. Seine erste Frau und eine Tochter starben an Tuberkulose, und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führte zum Entschluss des Komponisten, in die USA auszuwandern. Der Symphonie in C, die Strawinsky 1940 sozusagen in der Transitphase zwischen den Kontinenten schrieb, sind diese biografischen Ereignisse nicht anzuhören. Der Komponist war in dieser Schaffensperiode vom Vorrang der – rein musikalischen – Form gegenüber dem – emotionalen – Ausdruck überzeugt. Das viersätzige Werk, in dessen bezauberndem Larghetto concertante die einzelnen Instrumente mit Solo-Passagen hervortreten, ist die klassischste von Strawinskys fünf stilistisch denkbar unterschiedlichen Symphonien.
Dem Symphonie-Modell der Wiener Klassik fühlte sich auch Johannes Brahms verpflichtet. Und doch gewinnt jeder seiner vier Gattungsbeiträge der Form eine ganz eigene Gestalt ab. Die Dritte Symphonie schlägt von den ersten bis zu den letzten Takten einen großen Bogen: Denn das Anfangsthema des ersten Satzes, pendelnd zwischen Dur und Moll, erklingt am Schluss des Finales erneut – hier in entschlossenem Dur. Es beginnt mit den Tönen F-A-F, dem die Worte »Frei, aber froh« zugeordnet worden sind; eine Abwandlung des Mottos F-A-E (»Frei, aber einsam«). Letzteres war in der Jugendzeit der gemeinsame Wahlspruch von ihm und seinem engen Freund, dem Geiger Joseph Joachim. Während Joachim allerdings zweimal heiraten sollte, blieb Brahms lebenslang Junggeselle.
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