Simon Rattle dirigiert Beethovens Symphonien Nr. 2 und 5
Beethovens Zweite Symphonie entstand zu einer Zeit, als der Komponist im berühmten Heiligenstädter Testament die Verzweiflung über seine zunehmende Taubheit formulierte. Und so kippt auch die vordergründige Heiterkeit des Werks immer wieder in einen Ausdruck flirrender Unrast. In der Fünften Symphonie hingegen begegnen wir einem anderen Beethoven, der sein Schicksal mit kraftvoller Entschlossenheit angeht, bis zum siegesgewissen Finale.
In Beethovens Zweiter Symphonie D-Dur wird alles Spielerische und Heitere aus dem musikalischen Vokabular verbannt und durch jenes Pathos ersetzt, das später mit Begriffen wie »Größe« und »Erhabenheit« beschrieben wurde. Kein Wunder, dass der Rezensent der Allgemeinen Musikalischen Zeitung von einem »kolossale[n] Werk« sprach, dessen Finale, ein wahrer Parforceritt, in eine mitreißende Stretta-Coda münde, die für einen Ausklang in apotheotischem Glanz sorge.
In seiner Fünften Symphonie, die Sir Simon Rattle im Rahmen seines Beethoven-Zyklus anschließend aufs Programm gesetzt hat, griff Beethoven wieder auf jene Idiome französischer Revolutionsmusiken zurück, die er bereits im Trauermarsch der Eroica verwendet hatte. Dementsprechend nähert sich die Orchesterbesetzung, die im Finale erstmals um drei Posaunen, Piccoloflöte und Kontrafagott erweitert wird, der Instrumentation zeremonieller Militärmusiken an. Zudem finden sich viele thematische Bezüge zur Musik der französischen Revolution, weshalb schon Robert Schumann auf die Ähnlichkeit mit der zeitgleich entstandenen Ersten Symphonie g-Moll von Étienne-Nicolas Méhul hingewiesen hat. Das berühmte Klopfmotiv des Kopfsatzes scheint wiederum Luigi Cherubinis Hymne du Panthéon entnommen zu sein: Die entsprechende Passage aus dem Chor, der 1792 als offizielle Musik der französischen Revolution aufgeführt worden war, handelt von dem Schwur, für Republik und Menschenrechte zu sterben.
Dieses Credo von Liberté, Égalité und Fraternité bestimmt auch die Oper Leonore bzw. Fidelio, da sich das ursprünglich politisch unbedenkliche Libretto von Jean-Nicolas Bouilly in Beethovens Lesart ins Revolutionäre verschob. Insgesamt entstanden vier Ouvertüren zu den unterschiedlichen Opern-Fassungen, wobei die Leonoren-Ouvertüre Nr. 1 C-Dur op. 138 entstehungsgeschichtlich an dritter Stelle steht. Alle Leonoren-Ouvertüren dokumentieren den Versuch, die Bühnenhandlung in komprimierter Form in Töne zu fassen, was eine beeindruckende Dichte von Motiven und harmonischen Entwicklungen zur Folge hat.
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