Kirill Petrenko dirigiert Bruckner und Rihm
Als klingende Kathedralen hat man Anton Bruckners Symphonien oft bezeichnet – gewaltige Klangarchitektur verbindet sich hier mit himmelwärts strebenden Steigerungen. Das gilt auch für die Fünfte, die Bruckner wegen ihrer genialen Satztechnik sein »kontrapunktisches Meisterstück« nannte. Kirill Petrenko kombiniert sie mit einem Werk, das ebenfalls einen Bezug zur Sakralarchitektur hat: Wolfgang Rihms IN-SCHRIFT, dessen dunkle, kraftvolle Klangskulpturen vom Markusdom in Venedig inspiriert sind.
Chefdirigent Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker mit Musik, die durch den Raum wandert: Dass die Venezianische Mehrchörigkeit im Markusdom erfunden wurde, hatte gute Gründe. Der in Form eines griechischen Kreuzes angelegte Grundriss des Doms ermöglichte es, zwei Orgeln an gegenüberliegenden Emporen zu platzieren und die Chöre an zwei räumlich voneinander getrennten Orten aufzustellen. Einfache zweichörige Motetten mit Klang und Echo sind auf diese Weise aufgeführt worden. Bei Werken mit zusätzlichen Chören konnte man zudem die sogenannten »Katzenstege« nutzen, die nördlich der Zentralkuppel im Altarraum weiteren Platz boten. Der architektonische Raum nahm so entscheidenden Einfluss auf die Musik, und es ist kein Zufall, dass Wolfgang Rihm sein Orchesterstück IN-SCHRIFT für eine Aufführung in ebendieser St. Markus-Basilika komponierte. Da Rihm, langjähriger künstlerischer Partner der Berliner Philharmoniker und der meist aufgeführte deutsche Komponist unserer Zeit, nicht Eulen nach Athen tragen wollte, indem er die Technik der Mehrchörigkeit nach Venedig importierte, verlegte er in IN-SCHRIFT die Verräumlichung ins Innere der Komposition: »Alle Räumlichkeit sollte in die Musik einbeschrieben sein«.
Eine Parallele findet sich hierzu in der gewaltigen Symphonik Anton Bruckners, dessen Musik mit ihren wellenartigen Steigerungen und dem Auftürmen klar voneinander abgegrenzter Klangblöcke den Musikpsychologen Ernst Kurth zu musikalisch-räumlichen Assoziationen anregte – so auch die Fünfte, der Wilhelm Furtwängler das »monumentalste Finale in der gesamten Musikliteratur« bescheinigte.
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