Paavo Järvi und Lang Lang
In Maurice Ravels Klavierkonzert G-Dur wirbeln fröhliche Bläsertöne, lässige Jazzmotive und baskische Volksmusik bunt durcheinander. Ein Juwel ist der zweite Satz, der mit einer traumverlorenen Meditation des Soloklaviers beginnt. Starpianist Lang Lang kann in diesem Werk alle Facetten seines Könnens demonstrieren. Paavo Järvi stellt außerdem die schwärmerische Erste Symphonie von Hans Rott vor. In ihrer Klangsprache sind Einflüsse von Rotts Lehrer Bruckner zu hören und Anklänge an die Musik seines Studienkollegen Mahler.
Lang Lang – dieser Name ist auch denen geläufig, die keine Klassik-Insider sind. Ob als Solist mit den renommiertesten Orchestern auf internationalen Bühnen, oder als leidenschaftlicher Musikvermittler in intimen Schulkonzerten, ob in Kooperationen mit Disney oder an der Seite von Popstars wie Ed Sheeran – dieser Ausnahmepianist überwindet als Überflieger kulturelle Grenzen und schafft neue Begegnungen. Bei den Berliner Philharmonikern interpretiert Lang Lang mit Maurice Ravels Klavierkonzert an der Seite Paavo Järvis ein Werk, das seine stilistische Wandelbarkeit spiegelt. Entstanden »im Geiste von Mozart und Saint-Saëns« (Ravel), trifft hier in den Ecksätzen virtuos-heitere Zirkusmusik auf mondänen Jazz, der Mittelsatz hingegen präsentiert ein betörendes Lied ohne Worte.
Anders steht es um den Namen Hans Rott, der vielen neu sein dürfte. Dabei prophezeite dessen Lehrer Anton Bruckner einst: »Von dem Manne werden Sie noch Großes hören«. Während sein Mitschüler Gustav Mahler tatsächlich Ruhm erlangte, nahm Rotts Schicksal eine tragische Wendung: Nach Studienabschluss komponierte er seine Erste Symphonie, die Johannes Brahms jedoch für schlecht befand. Als Rott zudem ein Stipendium verwehrt wurde, wollte er Wien verlassen, um andernorts eine Stelle als Chorleiter anzunehmen. In einem Zustand, der als »halluzinatorischer Irrsinn und Verfolgungswahn« beschrieben wurde, bedrohte er im Zug einen Fahrgast, der sich eine Zigarette anzünden wollte, mit einem Revolver – im Glauben, Brahms hätte Dynamit in der Bahn deponiert. Rott wurde in eine Wiener Psychiatrie gebracht, wo er 26-jährig an Tuberkulose starb.
Rotts Symphonie offenbart enormes Talent: Epische Breite entfaltet sich in diesem groß besetzten Werk, geschickt arbeitet er mit den Farben von Bläsern und Streichern, findet immer wieder überraschende harmonische Wendungen. Spätestens im Scherzo wird jeder Mahler-Fan aufhorchen, denn mit seinem mal kecken, mal wuchtigen Tonfall wohnt ihm genau der Charakter inne, den man aus Mahlers Scherzi kennt – allerdings begann dieser erst fünf Jahre nach Rott mit den Skizzen zu seiner Ersten Symphonie.
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