Daniel Barenboim dirigiert Schubert und Beethoven

Schuberts Siebte Symphonie umgibt ein Mysterium – nicht nur, weil sie unvollendet blieb, sondern auch, weil sie in ihrer Zerrissenheit tief in die Seele der Romantik blicken lässt: Angst und Bedrängnis, Idylle und Lebensfreude liegen dicht beieinander. Daniel Barenboim, Ehrendirigent der Berliner Philharmoniker, stellt diesem Werk Beethovens Siebte gegenüber – eine Symphonie, die keine Zweifel kennt und sowohl Optimismus als auch Kampfgeist ausstrahlt. Webers Oberon-Ouvertüre eröffnet das Programm.
Im Herbst 1823 lebt Franz Schubert bei seinem Freund Franz von Schober und arbeitet an einer Symphonie in h-Moll, einer für diese Gattung damals unüblichen »schwarzen« Tonart (Beethoven). Der Komponist leidet, 25-jährig – sein symphonisches Schaffen ist zu diesem Zeitpunkt so gut wie abgeschlossen –, nicht nur an finanziellen Engpässen, sondern zudem bereits an den Folgen einer Syphilisinfektion, an der er wenige Jahre später sterben wird. Zwei Sätze der Symphonie bringt er zu Papier, dann widmet er sich anderen Projekten. Knapp vier Jahrzehnte nach Schuberts Tod findet der Wiener Hofkapellmeister Johann von Herbeck das Manuskript und bringt die Unvollendete wenig später zu einer fulminanten Uraufführung.
Legenden ranken sich um diesen ungelösten Kriminalfall der Musikgeschichte: Warum blieb Schuberts Siebte unvollendet? Ist der Titel ungerechtfertigt, da Schubert die Symphonie – obgleich ungewöhnlich kurz – eigentlich für abgeschlossen befand? Sind die letzten beiden Sätze womöglich verschollen? Am wahrscheinlichsten ist, dass Schubert tatsächlich nicht zur Vollendung des Werks kam – abgehalten von Kompositionsaufträgen, dem Versuch, die Wiener Oper zu erobern und schließlich seinen frühen Tod. Fakt ist: Wer die Symphonie hört, gerät in ihren Bann. Unverkennbar offenbart sich in der Unvollendeten Schuberts ganz eigene Sprache, wie auch Eduard Hanslick anlässlich der Uraufführung bemerkte: »Wenn nach ein paar einleitenden Tacten Clarinette und Oboe einstimmig ihren süßen Gesang über dem ruhigen Gemurmel der Geigen anstimmen, da kennt jedes Kind den Componisten, und der halbunterdrückte Ausruf ‘Schubert’ summt flüsternd durch den Saal.«
Im Gegensatz zum eher assoziativ komponierenden Schubert folgte Beethoven in seinem symphonischen Schaffen konsequenter Logik: Seine Siebte ist eine Weiterentwicklung der Fünften, in der der Kosmos des gesamten Werkes aus einem einzelnen, rhythmisch profilierten Motiv wächst. Beethoven eröffne uns ein »wundervolles Geisterreich des Unendlichen«, so E.T.A. Hoffmann. Schuberts Unvollendete wie auch Carl Maria von Webers märchenhafte Oberon-Ouvertüre, mit der Daniel Barenboim dieses romantische Programm beginnt, dringen bereits tief in dieses Reich ein.
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