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Als die Berliner Philharmoniker Claudio Abbado zum Nachfolger Herbert von Karajans kürten, war das für viele eine überraschende Wahl – nicht zuletzt für Abbado selbst. Seine von 1989 bis 2002 dauernde Amtszeit erwies sich dann als außerordentlich fruchtbare Phase in der Geschichte des Orchester. Das hier ein neues Kapitel aufgeschlagen wurde, zeigte schon der radikale Wechsel im Führungsstil. So wollte Abbado von seinen Musikern einfach »Claudio« genannt werden – während es undenkbar gewesen wäre, dass sich der majestätisch-unnahbare Karajan von den Orchestermitgliedern als »Herbert« hätte ansprechen lassen. Zudem sorgte Abbados gelegentlich unorthodoxe Probenarbeit für Irritationen. Doch in einem gewissermaßen stufenlosen Crescendo steigerten sich Zuneigung und Vertrauen, bis sie in den letzten Jahren der gemeinsamen Ära und in den stets im Mai angesetzten Gastspielen in den Jahren danach ungeahnte Höhen erreichten.

Die Gestik und Mimik des Dirigenten Abbado waren von besonderer Schönheit: Mit Augen, die stets den Blickkontakt zu den Musikern suchten, der eleganten und flexiblen Führung des Taktstocks in der rechten Hand und einer linken, die mit zarten Bewegungen den Klang modellierte, sorgte er immer wieder für magische Konzerterlebnisse. »Er konnte ohne Worte mehr zeigen als fast jeder andere Dirigent«, erklärte die Harfenistin der Philharmoniker, Marie-Pierre Langlamet.

Claudio Abbado hat mit den Berliner Philharmonikern ein riesiges Repertoire dirigiert, das von Monteverdi bis zu Uraufführungen von Werken zeitgenössischer Komponisten wie Wolfgang Rihm oder Matthias Pintscher reichte. Zugriff und Auswahl zeigten dabei keinerlei abstrakten enzyklopädischen Ehrgeiz. Die Symphonien von Sibelius und Schostakowitsch hat Abbado nicht dirigiert, von Bruckner eine gezielte Auswahl, Schumanns Symphonien hob er sich für die letzten Jahre seiner Laufbahn auf, um dann 2012 mit den Berliner Philharmonikern eine umso beeindruckendere Interpretation der Zweiten Symphonie vorzulegen. Neben der tiefen Liebe zur italienschen Oper – vor allem Verdis – war Abbado ein engagierter Interpret der Wiener Klassik, des französischen und russischen Repertoires (seine Vorlieben lagen bei Mussorgsky, Tschaikowsky und Prokofjew) sowie der Komponisten um Arnold Schönberg. Treue bewahrte er auch der zeitgenössischen Musik, so den Kompositionen seines Freundes Luigi Nono. Zudem setzte er sich für wenig bekannte Werke berühmter Komponisten wie Schumanns Szenen aus Goethes Faust, Brahms’ Rinaldo oder das Te Deum von Berlioz ein. Die zentralen Komponisten seiner Zeit in Berlin waren aber wohl doch Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms und Gustav Mahler. Eine gefeierte Aufnahme der Symphonien von Brahms stand am Anfang, ein umjubelter Beethoven-Zyklus am Ende seiner Amtszeit in Berlin. Hatte Abbado im Antrittskonzert als Chefdirigent Mahlers Erste Symphonie dirigiert, so erklang bei einem seiner späten Auftritte am selben Ort mit dem Adagio aus der Zehnten der letzte (fast) vollendete Satz des Komponisten.

Große Sorge löste um die Jahrhundertwende die schwere Erkrankung des Dirigenten aus. Auf seine Erholung, zu der nach Aussage Abbados die Musik einen entscheidenden Anteil beitrug, folgten viele Konzerte mit den Berliner Philharmonikern von einzigartiger Intensität. Am 20. Januar 2014 ist Claudio Abbado gestorben. Auf sein Ableben am 20. Januar 2014 reagierte das Orchester mit einer Erklärung, in der die tiefe Verbundenheit mit Abbado zum Ausdruck kommt: »Die Berliner Philharmoniker sind stolz, ihn zu ihren Chefdirigenten zählen zu können und Teil seines musikalischen Erbes zu sein. Sein Tod ist für alle Musiker ein unendlich schwerer Verlust.« Dieser Verlust wurde auf bewegende Weise beim Gedenkkonzert für Claudio Abbado am 17. Mai 2014 sichtbar, als die Philharmoniker eine Zwischenaktmusik aus Franz Schuberts Rosamunde ohne Dirigenten aufführten.

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