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Als Ludwig van Beethoven im Jahr 1819 die Arbeit an der Missa solemnis aufnahm, kämpfte er mit einer schweren Krise. Sein Gehör hatte ihn nahezu verlassen, was nicht nur das Komponieren erschwerte, sondern auch zur menschlichen Isolation führte. In dieser melancholischen Phase schrieb er sein bahnbrechendes Spätwerk, darunter die letzten Streichquartette, die Neunte Symphonie und eben die Missa solemnis, die der Komponist selbst für sein »größtes Werk« hielt. Es ist nun in einer Interpretation mit den Berliner Philharmonikern, dem Chor des Bayerischen Rundfunks und Herbert Blomstedt als Dirigent zu erleben.
Dass Beethovens schwere persönliche Situation und seine Hinwendung zur Sakralmusik miteinander zusammenhängen, ist nur plausibel. Er, der Verfechter der Aufklärung, begab sich zu dieser Zeit auf die Suche nach einem Glauben - hoffte, dass »Gott, der mein Inneres kennt, [...] mich wohl endlich wieder einmal diesen Trübsaalen entreißen« werde. Parallel dazu wuchs der Wunsch, ein kirchenmusikalisches Werk zu schaffen. Dazu vertiefte er sich in die katholische Liturgie und in zahlreiche Messvertonungen.
Der Missa solemnis hört man die Inspiration durch ältere Quellen durchaus an: in ihren Fugen, in Anklängen an die Zeit Palestrinas. Und doch ist diese Musik keineswegs rückwärtsgewandt. Harmonik und Instrumentation weisen weit in die Zukunft, wie auch die Vokalstimmen bis heute für Chor und Solisten eine Herausforderung sind. Vor allem aber ordnet Beethoven seine Messe nicht den Zwängen des Gottesdienstes unter. Sie ist keine funktionale Musik mehr, sondern in ungehemmter Emotionalität transportiert sie in jedem Takt Beethovens eigenes Denken und Fühlen.