Emmanuelle Haïm dirigiert französische Barockmusik

»Nichts, das ans Herz gehen könnte«, schimpfte ein Kritiker nach der Uraufführung von Jean-Philippe Rameaus Oper Hippolyte et Aricie. Rameaus expressive, harmonisch gewagte Musik irritierte das Publikum, das den eingängigeren Stil von Jean-Baptiste Lully gewohnt war. Rameau oder Lully? Darüber entbrannte ein regelrechter Kulturkampf. Heute gelten beide als die wichtigsten Komponisten des französischen Barock. Emmanuelle Haïm, Expertin der Alten Musik, beleuchtet diese spannende Kontroverse – ein Abend voller Anmut und dramatischer Intensität.

Jean-Baptiste Lully wurde als Giovanni Battista Lulli in Florenz geboren. Ein französischer Gesandter entdeckte sein musikalisches Talent und führte ihn am Hofe ein – mit 21 Jahren wurde der Sohn eines Müllers so von Ludwig XIV. zum Sur-intendant de la musique du Roy ernannt. Damit nahm Lully für die französische Musik eine Machtstellung ein, die mit der politischen des Sonnenkönigs vergleichbar war: Was er komponierte, war im ganzen Land Gebot. Eine gute Dekade sollte der Künstler so über das französische Konzertleben herrschen, während am Hof-Theater laufend neue Bühnenwerke von ihm aufgeführt wurden.

Lully formte ein Idiom französischer Barockmusik, das von tänzerisch-zeremonieller Eleganz und klangmalerischer Raffinesse geprägt war. Das Tanzen in den prunkvollen Sälen von Versailles bildete ein zentrales Element der Machtdemonstration von Ludwig XIV. Nachdem es am Hof zu einem Eklat mit einem türkischen Gesandten gekommen war, beauftragte der König das damalige Star-Duo Lully und Molière, eine satirische Ballettkomödie zu schreiben, um den Gast zu verspotten. So entstand Le Bourgeois gentilhomme. Die Uraufführung fand im Oktober 1670 statt – in den kunstvoll kostümierten Titelrollen: Molière und Lully selbst. Emmanuelle Haïm präsentiert mit den Berliner Philharmonikern hier eine von ihr arrangierte Suite.

Anschließend widmet sich die Dirigentin Auszügen aus Jean-Philippe Rameaus Opern Hippolyte et Aricie, Castor et Pollux und Dardanus, die zwischen 1733 und 1739 entstanden. Nachdem Lully 1687 plötzlich gestorben war, erklärte man auch die Tragédie lyrique, die er etabliert hatte, für Tod. Rameau führte die französische Oper zu einer neuen Blüte: Die fünfaktige Form veränderte er nicht, beschritt aber neue Wege, indem er beispielsweise mit ausgefeilten harmonischen Wendungen überraschte und den Chören komplex geführte Mittelstimmen verlieh. »Rameaus visionäre Orchestrierung«, so Haïm, »weist auf die große Schule der französischen Orchestermusik voraus«.

Berliner Philharmoniker
Emmanuelle Haïm
Lauranne Oliva
Reinoud Van Mechelen

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Künstler*innen

Emmanuelle Haïm Dirigentin
Jean-Baptiste Lully Komponist
Lauranne Oliva Sopran
Reinoud Van Mechelen Tenor
Jean-Philippe Rameau Komponist

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