Tugan Sokhiev dirigiert Berlioz’ »Symphonie fantastique«

Rauschhaft obsessiv vertonte Hector Berlioz in seiner Symphonie fantastique das abgründige Drama einer unerfüllten Liebe. Mit visionären Klangfarben schildert sie kontrastreiche Szenen: Verliebtheit, einen wirbelnden Ball, Zweifel, die in einen Mord und eine Hinrichtung münden, und schließlich einen bizarren Hexensabbath. Das Doppelkonzert von Johannes Brahms besticht neben emotionaler Tiefe durch klassische Klarheit. Die Protagonisten an der Seite von Dirigent Tugan Sokhiev sind Konzertmeister Noah Bendix-Balgley und Solocellist Bruno Delepelaire.
1832 in Rom: Felix Mendelssohn Bartholdy – auf großer Bildungsreise – holt eine in Schottland skizzierte Ouvertüre zur Überarbeitung hervor. Er erinnert sich, »wie seltsam [ihm] auf den Hebriden zu Muthe geworden ist«, seekrank auf dem Schiff vor der wellenumtosten Fingalshöhle. Die Grotte inspirierte ihn zu einer geheimnisvollen Musik, die den Wind, die Wogen und Donnergrollen nachzeichnet.
»Meine Beziehungen zu Mendelssohn hatten in Rom auf recht skurrile Weise begonnen«, entsinnt sich Hector Berlioz. Nach mehrmaligem Scheitern hat er endlich den begehrten Prix de Rome gewonnen und nun genießt der Stipendiat den Sommer in der ewigen Stadt. Eines Abends trifft er in der französischen Akademie auf Mendelssohn. Als Berlioz bekennt, dass er mit seiner Rompreis-Kantate unzufrieden ist, erwidert der Kollege: »Ich hatte schon befürchtet, dass Sie mit diesem ersten Allegro zufrieden wären; offen gesagt: es ist miserabel!«. Es ist der Beginn einer speziellen Freundschaft, in der in einem Moment gemeinsam musiziert wird – Berlioz singt, Mendelssohn begleitet – und im nächsten der Deutsche den exzentrischen Franzosen am liebsten »todt beißen« würde, weil er sich vor dessen Musik ekelt. Die Symphonie fantastique, an der Berlioz arbeitet, ist ein Stück seines Innenlebens. Die lyrische Idée fixe, das Hauptthema, verkörpert seine ferne Geliebte – von der Zuneigung Berlioz’ ahnt sie nichts –, deren zartes Antlitz sich in musikalischen Fieberträumen in eine Fratze verwandelt – »kalte Thorheiten, kalte Leidenschaften« in Mendelssohns Ohren.
1887 am Thuner See: Johannes Brahms spürt, dass es an der Zeit ist, ein Kriegsbeil zu begraben. Seit sieben Jahren herrscht Eiszeit zwischen ihm und dem Geiger Joseph Joachim, nachdem Brahms sich im Scheidungsstreit des Freundes auf die Seite von dessen Frau geschlagen hat. »Mach Dich auf einen kleinen Schreck gefasst«, beginnt er sein Friedensangebot, »ich bitte Dich in aller Herzlichkeit und Freundlichkeit, dass Du Dich nicht im Geringsten genierst. Wenn Du mir eine Karte schickst, auf der einfach steht: ›Ich verzichte‹, so weiß ich mir selbst alles Weitere zu sagen«. Sein Ass im Ärmel? Ein Doppelkonzert für Violine und Violoncello, das neben dem Wetteifern der Soloinstrumente immer wieder partnerschaftliche Dialoge herstellt – und im Finale sogar einen ungarischen Tonfall anschlägt. Seine »letzte Dummheit« (Brahms) erzielt die gewünschte Wirkung: Bei der Uraufführung stehen beide – zusammen mit dem befreundeten Cellisten Robert Hausmann – endlich wieder gemeinsam auf der Bühne.
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