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Gegenüber Mahlers monumentalen Symphonien Nr. 2 und 3 nimmt sich die Vierte geradezu schlank aus: Sie greift auf das traditionelle viersätzige Modell zurück, verzichtet – zugunsten eines Sopran-Solos im Finale – auf den Einsatz von Chören, verlangt eine gegenüber den Schwesterwerken reduzierte Orchesterbesetzung und kommt nach ungefähr 60 Minuten zum Ende. Durchgehend heiter oder gar »klassizistisch« ist die Symphonie dennoch keineswegs, obwohl sie in der Rezeptionsgeschichte oft unter diesen Begriffen eingeordnet wurde. Dagegen sprechen etwa die sich in die Nähe des Chaos bewegenden Motiv-Verschachtelungen in der Durchführung des ersten Satzes, die um einen Ganzton nach oben gestimmte und deshalb verfremdet tönende Solovioline des zweiten und die unvermutete, machtvolle Wiederkehr des Kopfsatzthemas am Ende des mit »Ruhevoll« überschriebenen langsamen Satzes. Am ehesten ist die 1901 uraufgeführte Vierte Symphonie vielleicht als Schwellenwerk des Komponisten zu verstehen: Zunächst verweist sie auf ihre Vorgängerinnen. Wie diese greift sie auf Mahlers eigene Wunderhorn-Sammlung zurück.

Als Finale verwendete der Komponist sein bereits zuvor geschriebenes Lied Das himmlische Leben. Damit knüpfte er zugleich an die Schlusssätze seiner vorherigen Gattungsbeiträge an: Hatte die Zweite Symphonie mit Klopstock von der »Auferstehung« und die Dritte laut ursprünglichem Programm von der transzendentalen Kraft der Liebe gekündet, so kommt in der Vierten abermals das Jenseits zur Sprache. Nun allerdings in überraschend kindlichem Tonfall (Leonard Bernstein wagte das Experiment, das Solo von einem Knabensopran singen zu lassen).

Zugleich weist das Werk auf die spätere Musik Mahlers voraus: So ist mitten im Ersten Satz das Fanfaren-Motiv zu hören, das dann zu Beginn der Fünften Symphonie erklingen wird; und Mahler selbst hat später gesagt, sein großes Abschiedswerk, die Neunte, teile mit keiner anderen seiner Symphonien so große Ähnlichkeit wie mit der Vierten. »Kein’ Musik ist ja nicht auf Erden, / Die uns’rer verglichen kann werden«, heißt es in der letzten Strophe des Finales. Ob Mahler hier tatsächlich jene »himmlische Musik« zu Gehör bringen wollte, oder ob auch diese Passage, wie nach Ansicht Theodor W. Adornos die gesamte Symphonie, unter dem Vorbehalt des »Als ob« steht, wird in der Forschung bis heute kontrovers diskutiert.

Die hier dokumentierte Aufführung des Werks fand als Teil des Mahler-Zyklus, den Bernard Haitink mit den Berliner Philharmonikern realisierte, im Dezember 1991 statt. Aufführungsort war das Konzerthaus (damals »Schauspielhaus«) am Gendarmenmarkt. Hier hatte das Orchester zwischen Januar 1991 und April 1992 eine Ausweichspielstätte gefunden, als der große Saal der Philharmonie wegen Renovierungsarbeiten hatte geschlossen werden müssen. Einige Jahre später hat das Orchester die Vierte mit demselben Dirigenten auch bei den Salzburger Osterfestspielen und in Haitinks Heimatstadt Amsterdam gespielt. Den Gesangspart im Finale übernahm die amerikanische Sopranistin Sylvia McNair, die unter der Leitung von Claudio Abbado in zahlreichen philharmonischen Konzerten als Bach-, Beethoven-, Rossini- und Mahler-Interpretin aufgetreten ist.

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