Simon Rattle dirigiert Bruckners Neunte und Schrekers Kammersymphonie
Zwei österreichische Komponisten, zwei klangvolle Symphonien an der Grenze zwischen Spätromantik und Moderne: Das ist das programmatische Konzept dieses Konzerts mit Simon Rattle. Neben Anton Bruckners unvollendeter Neunter Symphonie begegnen wir der verführerisch schillernden Kammersymphonie von Franz Schreker – einem Komponisten, der zu Lebzeiten berühmt war, heute jedoch ein Geheimtipp ist.
Die seit Beethoven magische Grenze von neun vollendeten Symphonien hat Anton Bruckner nicht ganz erreicht. Auch bei ihm sollte die Neunte –, die wie diejenige Beethovens in d-Moll steht –seine letzte Symphonie bleiben; jedoch konnte der Komponist trotz abgeschlossener Konzeption und umfangreichen Skizzenmaterials das Finale nicht mehr fertigstellen. So endet Bruckners, laut einer mündlichen Überlieferung dem »lieben Gott« gewidmetes symphonisches Vermächtnis gegen alle Tradition mit einem langsamen Satz – und dann auch noch in der »falschen« Tonart E-Dur.
Zwar folgt das Werk der aus früheren Gattungsbeiträgen des Komponisten bekannten strikten thematischen und dramaturgischen Architektur, zugleich scheint die ungleich radikalere und passagenweise schockierend dissonante Harmonik die Tür zur Moderne weit aufzustoßen. Sir Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker interpretierten die Symphonie hier in der dreisätzigen Version (ehe sie 2012 eine aus den Skizzen rekonstruierte Vervollständigung des letzten Satzes vorstellen sollten).
Während Anton Bruckner zeitlebens unter mangelnder öffentlicher Anerkennung litt und erst nach seinem Tod als einer der bedeutendsten Komponisten identifiziert wurde, verhielt es sich bei seinem österreichischen Landsmann Franz Schreker gerade umgekehrt: Dem phänomenalen Erfolg vor allem seiner Opern folgte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein fast vollständiges Vergessen. Vom neuen Regime seiner Ämter beraubt, starb der Komponist 1934 in Berlin. Erst in den 1970er-Jahren setzte eine Schreker-Renaissance ein, die zur Wiederentdeckung seiner musikdramatischen wie instrumentalen Werke führte.
Die 1916 für ein Jubiläum der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst entstandene Kammersymphonie zeigt Schreker auf der Höhe seiner verführerisch schillernden Kunst. Als Meister des Übergangs lässt der Komponist seine thematischen Eingebungen durch Abwandlungen auseinander hervorgehen. Die klassische Satzabfolge ist noch erkennbar, fließt hier jedoch in einem einzigen Klangstrom zusammen. Simon Rattle interpretiert das Werk mit der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker.
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