Saisoneröffnung 2016: Simon Rattle dirigiert Mahlers Siebte Symphonie
Ein »fulminantes Konzert, das aufrüttelt wie ein Paukenschlag« nannte die Presse diese Aufführung von Mahlers Siebter Symphonie, mit der Simon Rattle die Saison 2016/17 eröffnete. »Vorwiegend heiteren Charakters« sei das Werk, so der Komponist. Doch der Optimismus bleibt immer fragil, doppelbödig von Abgründen bedroht. Zu Beginn des Abends erklang Pierre Boulez’ Éclat – ein Werk voller Konzentration und klangsinnlicher Raffinesse.
Kein anderer Komponist stand seit Amtsantritt von Sir Simon Rattle so oft auf dem Programm der Saisoneröffnungskonzerte wie Gustav Mahler. Dessen Werke sind für Rattle nicht nur seit Anbeginn seiner Karriere eine Herzensangelegenheit, sie ebneten ihm auch den Weg zu den Berliner Philharmonikern. Mit der Sechsten Symphonie gab er 1987 sein Debüt bei dem Orchester, mit der grandiosen Interpretation der Siebten trug er 1999 maßgeblich dazu bei, dass die Musiker ihn zum Nachfolger von Claudio Abbado wählten. Zuletzt führten die Berliner Philharmoniker und ihr Chef die Siebte 2011 im Rahmen ihres Mahler-Zyklus auf. Rattle zeige – so die Kritik im Kulturradio des rbb – schonungslos einen Mahler, der hohnlachend das gesamte 19. Jahrhundert kaputt haut – und bereits die Katastrophen des 20. Jahrhunderts vorwegnimmt.
Der Komponist selbst schrieb, diese Symphonie sei sein »bestes Werk und vorwiegend heiteren Charakters«. Allerdings wirkt diese Heiterkeit doppeldeutig und trügerisch. Denn Mahler gestaltet die festlich-pathetische Fröhlichkeit des ersten Satzes und insbesondere die Jubelklänge des Finales so überzogen und monumental, dass sie wie eine Parodie anmuten und den Eindruck erwecken: Hier wird das hohle Pathos der großen Symphonie ad absurdum geführt. Zwischen diesen wuchtigen Ecksätzen stehen zwei »Nachtmusiken« und ein »schattenhaftes« Scherzo. Diese drei Binnensätze, die voller Anspielungen und Zitate sind, bilden eine musikalische Welt für sich, in denen Mahler nächtliche Natur- und Traumszenen beschwört. Auch hier trügt die Idylle. Zwar schlägt der Komponist einen romantischen, liedhaften Ton an, lässt einen Walzer erklingen und ein serenadenhaftes Ständchen anstimmen, doch er durchsetzt alles mit grotesken, verstörenden Klangfarben. Eine Besonderheit der Symphonie ist das Instrumentarium, in dem neben Kuhglocken auch eine Gitarre und eine Mandoline zum Einsatz kommen.
Letztere gehören auch zur Besetzung von Éclat, einem kammermusikalisch gestalteten Werk von Pierre Boulez, das der Darbietung der mahlerschen Symphonie vorausgeht. Dieses 1965 entstandene Stück ist insofern ein eindrucksvoller Kontrapunkt zum Folgenden, weil die Musik – wie Boulez in einem Interview äußerte – »aus dem Nichts kommt und ins Nichts geht«. Gleichzeitig erinnern Sir Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker mit Éclat an den im Januar 2016 verstorbenen Komponisten, der ein langjähriger und geschätzter künstlerischer Weggefährte des Orchesters war.
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