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Wie in der Musik Ravels findet sich auch in den Texten der Dichterin Collette die ungewöhnliche Verbindung von Weltläufigkeit und Arglosigkeit. Die Koproduktion der beiden Künstler führte zu der Kurzoper L’Enfant et les sortilèges (»Das Kind und der Zauberspuk«), die wie sonst vielleicht nur Schumanns Kinderszenen und Debussys Children’s Corner ohne jede Verniedlichung die kindliche Einbildungskraft aus erwachsener Perspektive rekonstruiert. Während Colette die Arbeit am Libretto ungewöhnlich leicht von der Hand ging, vollendete Ravel die Vertonung erst nach jahrelanger skrupulöser Arbeit. Das Ergebnis hat bei der Uraufführung 1925 die Autorin der Vorlage zu Tränen gerührt und verzaubert das Publikum bis heute – trotz oder gerade wegen Ravels Eklektizismus. Denn dieser spiegelt in seiner Anverwandlung der unterschiedlichsten musikalischen Stile, die Begeisterungsfähigkeit eines Kindes wieder, das sich unbefangen die Gegenstände seines Gefallens zusammensucht.
Schon in seiner ersten Spielzeit als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker hatte Sir Simon Rattle Ravels in Deutschland nicht sehr bekannte Kinderoper aufs Programm gesetzt, auch ein Projekt des philharmonischen Education-Programms beschäftigte sich mit dem Stück. Für die Reprise im September 2008 konnte erneut ein sängerisch wie komödiantisch-virtuoses Ensemble gewonnen werden, angeführt von der Mezzosopranistin Magdalena Kožená in der Rolle des ungezogenen Kindes. Im ersten Teil des Konzerts erklang Ravels ursprünglich für Klavier zu vier Händen komponierte Orchestersuite Ma Mère l’Oye (»Meine Mutter, die Gans«): Musik, die nach Ravels Aussage ebenfalls »die Poesie der Kindheit« wachrufen sollte. Das Werk, dessen Titel sinngemäß »Ammenmärchen« bedeutet, reflektiert verschiedene Märchen, darunter Dornröschen und Der Kleine Däumling.