Seiji Ozawa dirigiert einen Russischen Abend in der Waldbühne
Kaum ein anderes Land hat die klassische Musik um so dynamische Klänge bereichert wie Russland. Das zeigt auch dieses Konzert aus der Waldbühne mit Tschaikowskys delikat wirbelndem Nussknacker, Strawinskys kolossaler Feuervogel-Musik und der archaischen Wucht von Borodins Polowetzer Tänzen. Dirigent dieses Russischen Abends war Seiji Ozawa, dessen Energie und Elan ebenfalls keine Grenzen zu kennen scheinen.
Was heute eine feste Institution im Berliner Musikleben ist, begann 1984 mit einem Experiment: Zur Eröffnung des Kulturfestivals Berliner Sommernachtstraum gaben die Philharmoniker zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein Konzert in der Waldbühne. Trotz strömenden Regens fanden sich mehr als 20.000 Musikbegeisterte ein und lauschten am Rande des Grunewalds einem bunten Programm unter Leitung von Reinhard Peters, das am Ende in bester Open-Air-Manier mit einem prachtvollen Feuerwerk garniert wurde. Zuvor hatte es schon in Tschaikowskys Ouvertüre »1812« einiges an Kanonendonner und Pulverdampf gegeben, und dieses Stück erklang auch beim 10. Sommerkonzert der Philharmoniker, als Seiji Ozawa zu einem Russischen Abend in die Waldbühne bat.
Neben kriegerischen Tönen stand Tänzerisches auf dem Programm; schließlich hat Russland eine lange und glanzvolle Balletttradition. Tschaikowkys Nussknacker wurde 1882 am Mariinsky-Theater in St. Petersburg uraufgeführt und behauptet sich bis heute unangefochten auf den Ballettspielplänen der ganzen Welt, vor allem in der Weihnachtszeit. Strawinskys Feuervogel, das erste seiner drei »russischen« Ballette, erblickte das Licht der Theaterwelt knapp 30 Jahre später in Paris, in einer Produktion der berühmten Ballets Russes von Sergej Diaghilew. Aus beiden Werken stellten die Komponisten selbst Suiten für das Konzertsaal zusammen, die aber auch unter freiem Himmel ihre Wirkung nicht verfehlen.
Begonnen hatte der Abend mit der Ouvertüre Große russische Ostern von Rimsky-Korsakow, die mit prachtvollen Klängen Christi Auferstehung feiert. Ebenso klangmächtig kamen die Polowetzer Tänze daher, in Borodins Oper Fürst Igor krönender Abschluss eines Festes am Hof des Polowetzer Khans Kontschak, der auf diese Weise seinen Gefangenen Igor für sich einnehmen möchte. In der Waldbühne sorgten der Radetzky-Marsch von Johann Strauss und – auch das eine feste Institution – Paul Linckes Berliner Luft für den beschwingten Ausklang dieses musikalischen Sommernachtstraums.
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