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»Wenn man diese Musik zum ersten Mal hört, ist man einfach nicht vorbereitet auf dieses wogende Klangmeer und diese Dissonanzen«, gesteht Sir Simon Rattle, auf seine für ihn relativ späte erste Begegnung mit Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion zurückblickend. Der Dirigent war damals 30 Jahre alt und vollkommen überwältigt von der spannungsreichen, fast modern klingenden Musik sowie der dramatischen Wucht und der Vielschichtigkeit des Werks.

Auch auf Bachs Zeitgenossen müssen die Passionen des Komponisten eine irritierende Wirkung aus­geübt haben. So mancher empörte sich über den theatralischen Stil der Werke. »Behüte Gott, ihr Kinder! Ist es doch, als ob man in einer Opera comödie wäre«, soll sich eine adelige Witwe ereifert haben. Johann Sebastian Bach hatte gerade sein erstes Amtsjahr als Thomaskantor hinter sich, als er den Leipzigern die erste Fassung seiner Johannes-Passion präsentierte und seine Zuhörer mitnahm auf eine verstörende Reise in die Abgründe des menschlichen Seins. Sie beginnt mit der Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane und der Verleugnung durch Petrus, der bis dato sein treuester Gefolgsmann war. Sie führt über das Verhör beim römischen Statthalter Pontius Pilatus, der an Jesus keine Schuld erkennen kann, sich trotzdem den Forderungen des Volks beugt und den Mann, der sich unbeirrt Gottes Sohn nennt, kreuzigen lässt, hin zur Todesstätte Golgatha.

»Es ist eine schmutzige, ekelhafte Parodie von Gerechtigkeit«, meint der Regisseur Peter Sellars, der nach der aufsehenerregenden szenischen Realisierung der Matthäus-Passion mit Simon ­Rattle auch die Johannes-Passion darstellerisch umsetzte. »Es gibt in diesem Stück viele Heimlichtuereien und gleichzeitig diese unverholene Brutalität, als wäre es eine Geschichte aus heutiger Zeit.« Diese Brutalität kommt vor allem in den Chorszenen zum Tragen, in denen die aggressive Menge den Tod Jesu verlangt – und gleichzeitig macht Bach diesen Chor mit seinen kontemplativen Choralsätzen zum Ruhepol der Passion. Der in Rezitativform gehaltene Bericht des Evangelisten schildert reportageartig die Passionsgeschichte des Johannes-Evangeliums, während die Arien Momente der persönlichen Reflexion und der subjektiven Empfindung widerspiegeln. Sir Simon Rattle hat Bachs Meisterwerk mehrfach mit den Berliner Philharmonikern aufgeführt, zuletzt 2014 in Peter Sellars’ Inszenierung, die in Berlin und bei den Osterfestspielen in Baden-Baden zu erleben war. Diese beeindruckende Aufführung wird nun in dieser Saison mit dem nahezu gleichen Sängerensemble und dem Rundfunkchor Berlin wieder aufgegriffen.

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