Kirill Petrenko und Daniel Barenboim
Kirill Petrenko, der neue Mann an der Spitze der Berliner Philharmoniker, trifft in diesem Konzert auf einen jahrzehntelangen Freund des Orchesters: Daniel Barenboim. Gemeinsam präsentieren sie Beethovens Klavierkonzert Nr. 3, das durch selbstbewusstes Auftrumpfen und eine aparte c-Moll-Färbung besticht. Eine Herzensangelegenheit für Kirill Petrenko ist zudem die viel zu wenig beachtete Musik von Josef Suk. Hier hören wir seine Zweite Symphonie, ein expressives Werk voller Schmerz und Klang.
In seinem Dritten Klavierkonzert wusste Beethoven den Pianisten (also sich selbst) triumphal in Szene zu setzen. Denn nach 111 Orchestertakten beginnt das Klavier gleichsam mit einer imperialen Machtdemonstration, da der Solist in drei Anläufen die gesamte Klaviatur durchmisst, um anschließend das Hauptthema – forte und unisono – in die Tasten zu meißeln: Ein manueller Kraftakt aufgetürmter Oktaven, auf den allerdings umgehend eine in sich gekehrte Piano-Reflexion folgt. Aus dem barocken Konzertieren, dem spielerischen Dialog, wird hier existenzieller Ernst: eine Frage der Selbstbehauptung und der unbeugsamen Subjektivität. Kirill Petrenko hat dieses dritte Beethoven-Konzert aufs Programm gesetzt. Solist ist Daniel Barenboim, dessen Spiel von einem tiefen Partiturverständnis geprägt ist – einer konzentrierten Art des Musizierens, die immer offen für die Entwicklungen des Orchesters bleibt.
Nach der Pause steht die Zweite Symphonie – Asrael – des tschechischen Komponisten Joseph Suk auf dem Programm, dessen Orchesterwerke Kirill Petrenko frühzeitig in sein Repertoire aufgenommen hat. Suk, Schüler und Schwiegersohn von Antonín Dvořák, avancierte zu einem der bedeutendsten tschechischen Komponisten der anbrechenden Moderne. Als ausübender Musiker gehörte er als zweiter Geiger dem weltberühmten Tschechischen Streichquartett an und hat mit diesem Ensemble mehr als 4000 Konzerte in 20 europäischen Ländern gespielt.
Seine um Trauer, Tod und Verklärung kreisende Asrael-Symphonie ist nach dem Todesengel der islamischen und jüdischen Mythologie benannt und entstand nach zwei schweren Schicksalsschlägen: Im Abstand von nur 14 Monaten waren erst Dvořák und dann dessen Tochter, Suks junge Frau Otylka, überraschend verstorben. Seufzermotive und Lamento-Figuren durchziehen das bisweilen hinsichtlich seiner Ausdrucksgewalt (und seiner Gliederung in zwei größere Abschnitte) an die Symphonik Gustav Mahlers erinnernde Werk – ebenso wie ein mit dem Tod assoziiertes »sprechendes« Klangsymbol, das Suk seinem Melodram Radúz a Mahulena entnommen hat. Im zweiten Satz wiederum wird u. a. das markante Hauptmotiv aus Dvořáks Requiem zitiert. Nach einer Danse macabre, die hörbar von den symphonischen Scherzi Peter Tschaikowskys beeinflusst wurde, beginnt der zweite Teil, dessen einleitendes Adagio dem Andenken Otylkas gewidmet ist. Der fünfte und letzte Satz kulminiert schließlich in einem echten »per aspera ad astra«. »Weißt Du«, schrieb Suk an seinen Freund Otakar Šourek, »was ich durchmachen musste, bis ich dieses letzte C-Dur erreichte? Nein, es ist kein Werk des Schmerzes – sondern ein Werk übermenschlicher Kraft.«
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